Dienstag, 3. Dezember 2013

Salt & Pepper - wenn die Bärte silbern werden....

Denkt man an Hunde, dann hat man vor Kraft strotzende Muskelpakete vor dem geistigen Auge, die übermütig herum tollen; eifrig dem Ball oder der Katze nach jagende Energiebündel, die einfach nicht müde zu kriegen sind und nur Flausen im Kopf haben.

Wie süß sie sind (und wie anstrengend) im Welpenalter, wo rund 20 Stunden jeden Tag alles erkundet wird, idealerweise mit den Zähnen, wo sie neugierig und noch völlig offen allem gegenüber sind (was nicht immer zu aller und jedes Freud ist). Und dann erst, wenn sie pubertierende Halbstarke werden, denen die Welt gehört und die von einem Tag auf den anderen die komplette Erziehung  vergessen, wo es doch schon so gut funktioniert hat. Viele Jahre folgen nun, in denen sie (manche mehr, manche weniger) treu an unserer Seite (oder ein klein bisschen weiter weg hinter dem Hasen her) sind, sich entwickeln, aufbauen, lernen und immer zuverlässigere Begleiter werden. Jahre, die viel zu rasch verfliegen. Und eines Tages fragt man sich, wann der Gang denn bloß angefangen hat, gemütlicher zu werden, seit wann die Spiele nicht mehr ganz so häufig und wild sind und so manche Katze neuerdings geflissentlich übersehen, anstatt verfolgt wird ...
Nun beginnt eine ganz besondere Zeit, in der ich jeden gemeinsamen Tag mit meinem haarigen Freund schätze, als wär's der letzte. Die Kommunikation läuft mittlerweile so unglaublich eingespielt ab, dass Worte überflüssig werden (vereinzelt auch, weil Freund Hund sie ohnehin ignoriert). Das Team Hund-Mensch ist über Jahre hinweg perfekt eingespielt. Jeder kennt die Macken des anderen und hat gelernt, über so einiges hinweg zu sehen.

Ab sofort gibt's den Altersbonus, den jede Fellnase wie selbstverständlich für sich in Anspruch nimmt. Während auf der einen Seite Routinen den gemeinsamen Tagesablauf bestimmen, werden auf der anderen strenge Regeln aufgeweicht. An meiner Seite (das ist nur metaphorisch gesprochen, denn grundsätzlich hinter mir) läuft nun ein Senior - zumindest steht das am Futtersack.

Die Stangen an den Agility Hürden im Garten werden tiefer gelegt, die Anschaffung einer Einstiegsrampe ins Auto in Erwägung gezogen. Bis es soweit ist, gewährleistet eine Hand als Stütze für den Popo den sicheren Einstieg. Diverse stärkende Mittelchen ergänzen das Senior-Futter - der Hund wird "gepimpt". Arthrose, grauer Star & Co sollen auf Distanz gehalten werden. Bei Hitze schalten wir zwei Gänge zurück (das bedeutet mitunter auch mal rückwärts) und der eine oder andere Spaziergang fällt im Sommer sogar aus. Stattdessen wird im temperierten Haus gechillt.

Der Tierarzt ist mit den jungen Hunden schnell fertig. Senior kriegt dafür von Mal zu Mal mehr Aufmerksamkeit. Es wird tief in die Augen geschaut, ob hier nicht schon der graue Star lauert (Tipp: Ginko aus der Human-Apotheke für gute Durchblutung). Es wird weit ins Maul geschaut, denn die Zähne sind abgearbeitet und irgendwann ist eine Zahnsteinentfernung nötig. Am Herzen wird lange gelauscht und auf der Waage heißt es "weniger ist mehr".

Wer ist hier der Boss?
Die aufstrebenden Youngsters tanzen den Oldies gerne mal am Kopf herum, aber wem der Sinn ohnehin nicht nach einer Führungsposition steht, der lässt sie ungestraft gewähren und wartet als 4-beiniger Senior geduldig bis der Spuk vorbei ist. Und wo es keine Action gibt, sind auch die Jungen rasch wieder weg.

 
Neuerdings habe ich fast schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich zum Spaziergang aufrufe. Während 2 Schwarze in Sekundenschnelle parat stehen, höre ich von der Hundecouch ein tiefes, unwilliges Grunzen. Dasselbe, das ich auch vernehme, wenn ich morgens das Haus verlasse und alle Ganzkörperbehaarten in den Garten jagen möchte.
Während ich noch die Schuhe binde, stehen zwei bereits ungeduldig zappelnd an der Tür. Die beiden anderen verhalten sich still und tun so, als wären sie gar nicht da. Die 14-jährige Buffy liegt in einem der 10 im Haus verteilten Körbe, die sie sukzessive in Beschlag genommen hat und fühlt sich nicht angesprochen.


Die 10-jährige Stella drückt sich noch tiefer in ihren Polster und nur eine zuckende Augenbraue verrät mir, dass sie mich hinter ihrem Poni abwartend beobachtet und hofft, dass ich sie übersehe.

Gut, wenn wir ehrlich sind, Stella's Lebensmotto ist seit jeher: erst schauen, dann (vielleicht) bewegen. Ohne persönliche Einladung steigt Stella nicht aus dem Auto aus. Zur Abendrunde will sie freundlich gebeten werden. Während sie noch mit dem Kopf im Futternapf steckt und genießt, steht daneben schon das Brösel-Abräum-kommando, Phoebe und Balu. Die Zeit, die sie braucht um ein Rindsohr zu verzehren, reicht bei Balu für 10 und mehr.

Selbst wenn ich manchmal am liebsten einen Düsenantrieb an ihr montieren würde, wird mir in überlegten Momenten bewusst, dass es etwas Großartiges ist, das ich von meinen Oldies gelernt habe, in einer Zeit, in der immer alles schnell und sofort geschehen muss: die Ruhe, wieder zu erlangen, in der die Kraft liegt, im Hier und Jetzt zu leben und einen Gang zurück zu schalten, damit wir nicht allzu schnell ans Ende dieses Lebens gelangen.

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