Seit unsere Katzenmutter mit ihren Kindern auf der Flucht war und nach einer Woche plötzlich wieder im hinteren Gartenbereich aufgetaucht ist, war nichts mehr so wie davor. Die Möglichkeiten, sich zu verstecken, sind dort weit zahlreicher und wurden immer intensiver genutzt. Auch das für uns unzugängliche Nachbarsgrundstück wurde als Katzenwohnzimmer genutzt.
Langsam machte sich Verzweiflung bei uns breit. Die wenigen potentiellen Adoptanten sprangen ab, ich hatte eine unschöne Erfahrung mit unseriösen Facebook Nutzern oder Nutzerinnen, die nur so taten als wären sie interessiert und die Minis wurden zusehends scheuer. Vor allem Shy Girl und Shy Guy bekamen wir so gut wie gar nicht mehr zu Gesicht, geschweige denn konnten wir sie streicheln oder hochheben.
Und dann erfuhr ich auch noch, dass die Katzen seit Tagen wieder weg waren. Kein lebendiges Gehopse und keine Erstbesteigungen diverser Büsche und Baumreste mehr - die Futter- und Milchschüsselchen blieben unberührt. "Das war's nun", dachten wir. Wieder fünf Streuner mehr. Fünf Katzenleben ohne Chance auf ein liebevolles Zuhause, auf warme, sichere Plätze auf der Couch, fünf Katzen, die die meiste Zeit auf der vergeblichen Suche nach Futter herumirren und sich unkontrolliert vermehren. Unsere ganzen Bemühungen sollten also umsonst gewesen sein?
Was auch immer mich gestern früh geritten hat, ich schnappte kurz vor acht Uhr Hütewischmobb Phoebe und wir machten uns auf in den Garten meiner Mutter. Nach nur wenigen Lockgeräuschen tauchte zu meiner Überraschung unsere zugänglichste Mieze, die Lauser Liesl, auf und streckte sich der neugierigen Schnauze meiner Hündin vertrauensvoll entgegen. Ohne viel Nachdenken schnappte ich die Kleine, steckte sie in die Box und schloss sofort das Gitter. Mobelix und Lauser Bub (alias Mr. Grey) waren die nächsten, die angelaufen kamen und die ich ebenso hinein bugsierte. Als man in der Box zu randalieren begann, stellte ich die Bande mit einem Schüsselchen Futter ruhig. Offensichtlich waren die jungen Wilden ausgesprochen hungrig.
Als nächstes rief ich im Tierheim an, wo ich sofort die Ansprechpartnerin dran bekam, mit der ich schon mehrfach Kontakt wegen der Katzen und der Zuteilung hatte. Leider konnte sie sich nicht an die vom Amtstierarzt bereits vor Wochen erteilte Zuteilung erinnern (Anm.: ohne Zuteilung vom zuständigen Amtstierarzt kann man Tiere nicht so einfach im Tierheim abgeben. Zudem ist es dann kostenpflichtig.). Aber sie war so nett und versprach, selbst beim Amtstierarzt nachzufragen und mir Bescheid zu geben. Allerdings würde man diesen vor neun Uhr nicht erreichen.
Wir hatten also nur drei Miezen in der Box und die Ungewissheit, ob das mit dem Tierheim klappen würde. Zugegeben, wir waren etwas aufgeregt. Meine Mutter schlug vor, unsere drei Gefangenen in eine große Box ins Haus um zu lagern und dann zu versuchen, die beiden schüchternen, noch freien Tiere mit Futter in die kleine Transportbox zu locken. Gesagt getan - kurze Zeit später saßen wir wie zwei Kanadische Trapper auf Beutezug, mucksmäuschenstill, gespannt abwartend auf der Terrasse, den Blick fixiert auf unsere "Falle". Und tatsächlich, es dauerte nur wenige Minuten bis die Mutterkatze mit ihren beiden Kindern hungrig um die Box mit dem gut riechenden Futter herum schlich.
Alsbald wagte sich unser Shy Guy hinein und begann hungrig zu schlingen. Shy Girl, eindeutig die Vorsichtigere von beiden, wagte sich immer nur für Sekunden hinein, um dann sofort wieder heraus zu hüpfen. Jedes Mal, wenn die Mieze in die Box kletterte und ich drauf und dran war aufzuspringen und hinzulaufen, um das Gitter hinter ihr zu schließen, drehte sie sich rasch wieder um und hüpfte heraus. Es schien unmöglich, beide auf einmal zu bekommen. Die Anspannung bei uns stieg und wir entschlossen uns, erstmal nur das eine Kätzchen in der Box zu fixieren, bevor der günstige Moment vorbei war. Selbst wenn wir damit riskierten, dass sich das andere Kätzchen samt Mutter dann komplett zurück ziehen würde.
Trotzdem die Katzen die Box und uns gewöhnt waren, versuchte der Kater, sobald er merkte, dass ich mich anschlich, zu fliehen. Aber ich war schneller und gleich darauf saß er entspannt mit den anderen drei Geschwisterchen in der großen Kiste. Auch dort füllten wir die Futterschüssel nochmal an und dementsprechend entspannt waren die "Insaßen" mit ihren vollen Bäuchlein.
Und schon stieg die Spannung wieder und wir waren sehr unsicher, ob es uns nun gelingen würde, auch das letzte noch freie Katzenkind einzufangen. Doch wir hatten Glück und es gelang. Dieses Katzenmädchen war noch aufmerksamer und beinahe wäre es mir entwischt. Sicherheitshalber ließ ich das scheuste von den Tieren in der kleinen Transport-Box, anstatt es zu seinen Geschwistern umzulagern. Ich wollte mein Glück nicht über strapazieren.
Zwischenzeitlich hatte ich telefonisch grünes Licht vom Tierheim bekommen und so luden wir die Boxen und das Futter, das wir grade erst vorm Wochenende aufgestockt hatten, ins Auto und ich fuhr die fünf, rund acht Wochen alten Katzenkinder schweren Herzens, aber dennoch mit gutem Gefühl, das Richtige zu tun, in ihre neue, zwar ungewisse, aber bestimmt weit bessere Zukunft, als es ein Leben als Streunerkatze sein könnte.
Im Tierheim wollte man einen Ausweis und meine Telefonnummer sowie die Adresse, wo die Katzen "gefunden" wurden. Liebend gerne hätte ich noch ihre Charaktereigenschaften und vorläufigen Namen hinterlassen. Aber die Katzen wurden ohne Rückfragen von einer jungen Pflegerin geholt und vorerst in Quarantäne gebracht. In diesem Bereich sind keine Besucher erlaubt und auch meine Bitte, uns doch vielleicht einmal ein Foto zu schicken, wurde abgelehnt. Ich könne mir ja die Fotos auf der Website ansehen, sobald sie bereit zur Vergabe sind.
Also bin ich in mein leeres Auto gestiegen und mit einem ebensolchen Gefühl der inneren Leere nach Hause gefahren. Ich werde sie vermissen. Es ist nicht alltäglich, dass man die Gelegenheit hat, für so junge Lebewesen zu sorgen, ihnen beim Aufwachsen zuzusehen und sich mit ihnen anzufreunden. Sie werden mir immer in Erinnerung bleiben und ich wünsche ihnen aus tiefstem Herzen ein wunderschönes, erfülltes, katzengerechtes Leben bei guten, tierlieben und fürsorglichen Menschen.
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