Mittwoch, 22. November 2017

Frischzellenkur

v.l.n.r. Balu, Molly, Phoebe
Wir werden alt. So richtig alt. Zwei Fellnasen rund um die 12 Jahre und ich bekomme Panik. Bitte nicht falsch verstehen - ich bekomme Panik stellvertretend für Phoebe mit ihren erst 6 Jahren. Das kann doch kein Vergnügen sein, wenn man als Hund im besten Alter sein Dasein in einem 4-Beiner-Altersheim fristen muss.

Und so habe ich mich im Auftrag von Phoebe eher halbherzig auf die Suche gemacht. Halbherzig, weil es schon recht bequem und einfach ist mit so einem eingespielten Oldies-Team. Die verordnete Frischzellenkur würde wieder alles ins Chaos stürzen und ich würde eine neue "unsere-kleine-Welt-Ordnung" herstellen müssen. Ein Prozess, der nicht grade mal so nebenbei passiert, sondern der aktiv gestaltet werden will und neben Hirnschmalz und körperlicher Aktivitätssteigerung auch jede Menge Nerven erfordert.



Gefunden hat ihn schließlich meine Schwester auf Facebook und mir mit zwei Fotos und den begeisterten Worten: "Marion!!!!! Der schaut nach einem Mannsberger Hund aus" plus noch 4 Herzen hinter drein gewhatsappt. Um es kurz zu machen: der Kleine mit der großen Nase hat es mit diesem Satz ins Mannsberger-Hunde-Team geschafft und den Altersschnitt von rund 10 auf 7,5 Jahre hinunter geschraubt. Lenny heisst der Bub und ist eine Mischung aus Bergziege,  Müllschlucker und Autohupe. 

Lenny wurde im Hundeteam so liebevoll aufgenommen wie ein Aussätziger. Die ersten Tage waren für uns alle eine Achterbahn der Gefühle. Kaum war Lenny in der Nähe, schon fiel das Stimmungsbarometer beim Rest der Partie unter den Gefrierpunkt.

Kaum zu glauben, dass das nun auch schon wieder über zwei Monate her ist und ich wirklich scharf nachdenken muss, wie das so war die ersten Tage. Denn mittlerweile sieht es schon wieder ganz anders aus. Lenny hat seinen Platz im Rudel gefunden.

Als ich Lenny am 12.9. (fast einen Monat hatte es nach der Erstentdeckung durch meine Schwester noch bis zu diesem Schritt gedauert) von seiner Pflegestelle im 121km entfernten Győrzámoly/HU abholte, fand ich ein dort wohl eingegliedertes ca. 4,5 Monate altes Hundekind vor, das fest am Rockzipf seiner Pflegemama hing. Wie sehr er sich auf sein neues Zuhause freute, zeigte er prompt mit ohrenbetäubendem Heulen und dem Auswürgen der (nach der Größe der zwei Haufen zu schließen) wahrscheinlich letzten 5 Mahlzeiten auf die Rückbank meines Autos. Die nächsten 120km bis wir endlich zuhause waren, fuhr ich (bei 15 Grad Außentemperatur) mit offenem Fenster und immer wieder angehaltenem Atem.

Dass er ein sehr smarter Kerl sei, das hatte mir die Pflegemama als wertvolle Beschreibung mit auf den Weg gegeben.

Die spannende Erkundung aller weiteren Eigenschaften startete bei der spätabendlichen Ankunft im mittlerweile dunklen Garten. Die ersten Schritte ins Haus waren äußerst vorsichtig. Auch die Kontaktaufnahme von größter Unsicherheit geprägt. Die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Natürlich kamen bei mir angesichts der temporären Eiszeit im Rudel - trotz besseren Wissens - kurz Zweifel  auf. Glücklicherweise besann sich aber der kleine Hütewischmobb Phoebe auf ihre ungarischen Ursprünge und solidarisierte sich für von Mal zu Mal länger und freundlicher werdende Spielchen mit dem Frischling.
Dies allerdings sehr zum Mißfallen von Balu - Kampfschmuser war DIE Spaßbremse der ersten Wochen. Bis ich die beiden dann zum ersten Mal beim Kuscheln erwischte. Meine Sorgen haben sich recht rasch in Luft aufgelöst. Nach nur zwei Monaten zeigt Balu längst wieder seine wohlbekannte Butterseite, auch dem inzwischen zum Teenager heran wachsenden Lenny gegenüber.
Lenny muss in seinem vorherigen Leben eine Duracell-Batterie gewesen sein. Oder ein Langstreckenläufer. Es ist wunderbar, seine Freude an der Bewegung, am Schnüffeln und Erkunden zu beobachten - diese Lebensfreude reißt mich einfach mit. 

Spiele im Haus werden (und dafür zünd ich sicher noch ein Dankbarkeitskerzerl an) einrichtungsschonend gestaltet. Bislang hat grade mal der alte Teppich (und ab und zu die kleine Phoebe) in der Hitze des Gefechts ein paar Haare gelassen. Die Gartengestaltung hingegen ist sein Ding. Der eine oder andere tief hängende Ast wird im Vorbeigehen einfach mal so abgeknippst - stört ja auch immer beim Rasen Mähen. Soviel Einfühlungsvermögen in so zartem Alter beeindruckt mich schwer. Dass man Vögel verjagen, Katzen verbellen und im Rudel heulen muss, ist dank drei wunderbarer Lehrmeister bei Lenny schon in Fleisch und Blut über gegangen.
  
Etwas gewöhnungsbedürftig sind die nun wieder gehäuft auftretenden Neugierattacken wildfremder Menschen. Da wird mir mitunter sogar über die Straße hinweg die Frage nachgeworfen: "Ghean die olle ihna?" Oftmals dreh ich ihnen den Rücken zu, wo die Fragen unbeantwortet abprallen. Viel öfter aber sag ich mit stolz geschwellter Brust und glücklichem Lächeln im Gesicht: "Ja, alles MEINE!"

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