Freitag, 29. Juni 2018

Untermieter - die Überraschung

Langsam war es besorgniserregend, dass vier der Mini-Miezen sich bereits eifrig um taten und dabei ihre sichere Höhle verliessen, während eines der Geschwisterchen sich in die hinterste Ecke drückte, um dort mit dem Rücken zum Geschehen aus kleinen Äuglein die aktiven Geschwister zu beobachten. Wir mussten annehmen, dass mit dem kleinen Ding etwas nicht in Ordnung ist und vielleicht irgendwann nur mehr vier übrig wären. An eine Untersuchung war nicht zu denken, weil es viel zu tief - weiter als eine Armlänge entfernt - im Verschlag saß. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Und gestern dann die große Überraschung! Kaum dass die Minis meine Stimme gehört hatten, eilten sie auch schon aus ihrem Versteck und eine grobe Zählung ergab: Fünf !!! Gleich noch einmal durchgezählt - immer noch Fünf. Kurz nach dieser ersten Sichtung verschwand das schüchternste aller Katzenkinder wieder im Verschlag. Der Stein, der mir von Herzen fiel, war vermutlich als Erdbeben in der näheren Umgebung wahrnehmbar. Zumindest meine Mutter musste es gehört haben, denn sie stand plötzlich vor der Tür und ließ sich die erfreulichen Neuigkeiten berichten.

Ein Blick in den Verschlag ergab, dass die Katzenmutter anwesend war und das Geschehen fallweise leise murrend zur Kenntnis nahm.
Bei zwei der Miezen war wieder eine Reinigung der verklebten Augen fällig. Dies wird mit großem Widerwillen und unter Einsatz der kleinen, scharfen Krallen hingenommen. Nach der Behandlung wieder abgesetzt ist die Tortur aber schon wieder vergessen und Streicheleinheiten streckt man sich genüsslich entgegen. Da und dort wird die sich nähernde Hand aber auch immer noch angefaucht - je nach Tagesverfassung und momentaner Laune. Alles in allem entwickeln sich die Kinder aber prächtig und wir sind uns mittlerweile ziemlich sicher, dass keiner der Zimmertiger handscheu bleiben wird.

Ein Meter Umkreis vom Verschlag wird bereits mutig erforscht. Hier wird geturnt, gerangelt, gekratzt und neugierig erkundet. In diesem Einzugsgebiet befindet sich auch die Katzenbox, die ich zwecks Gewöhnung einfach mal aufgestellt habe. Und auch diese wurde von den mutigsten Minis bereits geentert und neugierig inspiziert. Seit heute liegt auch wieder eine trockene Decke drinnen, die noch viel mehr zum Verweilen einlädt. Der mutigste - von mir mit "Lauser" betitelt - hat sich drinnen geräkelt und geputzt und wollte sein neues Heim gleich gar nicht mehr verlassen.

Auch ein Meet-and-Greet mit Hütewischmopp Phoebe hat bereits statt gefunden. Für die Katzenkinder war das im Grunde nichts Großartiges. Voller Urvertrauen stolpern sie durch ihr kleines Reich. Man läßt sich abschnuppern und droht auch mal mit Haue, wenn das große, schwarze Ding zu aufdringlich wird. Phoebe ist kaum weg zu kriegen von den Kleinen. Und natürlich wurden auch Milch und Futter von ihr verkostet - dass es beim Verkosten bleibt, dafür musste ich sorgen. Aber ihr Interesse an den Minis war dennoch eindeutig größer.

Motiviert durch die rasanten Fortschritte hat meine Mutter beschlossen, eine erste Führung durch's Haus zu veranstalten und meine Wenigkeit wird, motiviert durch den durchschlagenden Erfolg mit der Katzen-Transportbox, demnächst ein Katzenklo aufstellen und sich in der Vermittlung einer der Grundregeln der Hauskatzenhygiene versuchen. Weitere Berichte folgen in Kürze - es bleibt also spannend mit den Untermietern.


Dienstag, 26. Juni 2018

Untermieter

Weil ich ein sprichwörtlicher early bird bin und es mich auch am Wochenende schon zu beinahe nachtschlafender Zeit aus dem Bett treibt, fahre ich, während alle anderen noch schlafen, mit den Hunden aus zum Spazieren und liefere unterwegs bei meiner Mutter (die selbstverständlich bezahlte) Sonntagszeitung auf die Türmatte.

Und bei dieser Gelegenheit habe ich etwas beobachtet, das unser Leben für die folgenden Wochen um einiges aufregender gestalten sollte. Grade als ich aus dem Auto stieg, sah ich eine kleine, hagere, graugetigerte Katze, der etwas Großes aus dem Maul baumelte, in den Vorgarten meiner Mutter eilen. Das Tier verschwand rasch mit der vermeintlichen Beute aus meinem Blickfeld im schmalen Spalt unter der Steintreppe zur Eingangstüre. Langsam arbeitete mein aufgrund der Tageszeit noch träges Gehirn das Gesehene auf und ich stellte fest, dass hier keine überdimensionale Maus verschleppt, sondern ein Katzenkind in Sicherheitsverwahrung gebracht wurde.

Später am Tag überraschte ich meine Mutter mit der Info über ihre neuen Untermieter. Wie vermutet, war ihr der Einzug bis dahin nicht bekannt gewesen. In einem ersten Telefonat mit dem Tierschutz wurde ich angehalten, die Tiere keinesfalls zu berühren oder Futter zu reichen. Nach einer Rückfrage, wie denn dann die Jungen sozialisiert werden sollten, erhielt ich die Info "das passiert dann im Tierheim". Mit dieser (Fehl)Information beobachteten wir das Kommen und Gehen der Katzenmutter vorerst still und unaufdringlich. Erst im Gespräch mit einer Tierärztin, die sich liebevoll mit dem Thema Streunerkatzen auseinander setzt, bekam ich die Bestätigung, wie wichtig viel Körperkontakt mit den jungen Katzen ist und ebenso, dass die Mutter mit Futter und Milchwasser bei Kräften gehalten und bei der Aufzucht der Jungen unterstützt wird.

Endlich konnten wir uns so verhalten, wie es uns auch der klare Menschenverstand gebot und seit diesem Moment verbringen wir viele Momente in der Gebetshaltung eines Mohamedaners, um Blickkontakt zu den Katzenkindern zu bekommen. Nach und nach gelingt es nun auch immer mehr, die Jungen aus ihrem Verschlag zu locken und ihnen tröpfchenweise Milch mit dem Finger anzubieten, das Geschlecht (3 Kater, 1 Katze, 1 Unbestimmte) zu kontrollieren und die verklebten Augen mit warmem Wasser sanft zu reinigen.

Die Katzenmutter nimmt dankbar, um nicht zu sagen, gierig unsere Futter- und Getränkeangebote an und die Bäuchlein der Minis sind kugelrund. Obwohl ich seit wenigen Tagen und erst nach zahlreichen Telefonaten eine Zuteilung für die Jungen zum Tierheim Sonnenhof habe, widerstrebt es mir, diese Lebewesen, die uns der Zufall anvertraut hat, einem ungewissen Schicksal zu überlassen. Und so setze ich mittels Mundpropaganda, Facebook und über Tierärzte, die sich für dieses Thema erwärmen können, alle Hebel in Bewegung, um selbst gute Plätze für die Süßen zu finden.

An dieser Stelle - ich kann es mir nicht verkneifen - muss ich meinem Erstaunen über die Reaktion jener Stellen, die ich als offiziell zuständig für solche Fälle erachtet habe, Luft machen. Angefangen bei Fehlauskünften zum gebotenen Verhalten, über versteckte Vorwürfe, als wären wir die Verursacher der unerwünschten Vermehrung, bis hin zur im Befehlston erteilten Verpflichtung, sich "gefälligst" um die Kastration der Mutterkatze zu kümmern. Alles in allem erhält man, bis auf wenige Ausnahmen, den Eindruck, hier mit einem ausgesprochen unerwünschten Thema zu kommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei Menschen, die weniger hartnäckig sind als ich, der Wunsch, sich hier sozial und tierschützerisch verantwortungsvoll zu verhalten, von den offiziellen Stellen im Keim erstickt wird. Ich hatte irgendwie erwartet, dass es für solche Fälle Infoblätter mit Verhaltensvorgaben und Kontaktdaten gäbe, aber da liege ich falsch.

Im Moment setzen wir uns kleine Ziele und freuen uns über jeden auch noch so winzigen Fortschritt. Wichtig ist, dass die Winzlinge mit Menschen vertraut werden und alsbald auch anfangen, sich mit Futter abseits der mütterlichen Zitzen zu ernähren. Gestern hat sich - wie mir meine Mutter berichtet hat - zum ersten Mal ein Katzenkind aus dem Bau gewagt und als es sich dann einsam und ungeschützt auf der untersten Stufe wieder fand, schrie es verzweifelt nach Hilfe. Meine Mutter eilte herbei und verfrachtete das Katzenkind wieder in die vertraute Höhle.

Sobald die Entwöhnung erfolgt ist, muss das Muttertier umgehend kastriert werden, wozu wir die Unterstützung einer Tierärztin brauchen, die möglicherweise schon gefunden ist. Seitens der Gemeinde gibt es diese leider nicht (mehr) - Stichwort Kastrationsgutschein. Und so hanteln wir uns vorwärts mit dem Gefühl, das Richtige und etwas Gutes zu tun. An alle, die das hier lesen, haben wir die Bitte, sich umzuhören, ob es jemand gibt, der zwei Junge oder eines zu einer bestehenden Katze dazu nehmen möchte und danken auch schon allerherzlichst im Voraus für euer wertvolles Engagement !!!


Sonntag, 7. Januar 2018

Molly in ihrer Welt


Dass Molly anders ist als alle Hunde, die ich davor hatte, blieb nicht lange verborgen. Schon als sie am Tag ihres Einzugs durch die Türe kam, war klar, dass bei ihr die Uhren anders ticken. Molly drehte sich durch die Türe wie ein Kreisel mit Eigenleben. Dieses Kreiseln um die eigene Achse wie ein Derwisch in Trance tritt in ganz bestimmten Situationen verstärkt zu Tage und Molly ist dabei wie weggetreten und unansprechbar. Sobald ich mich etwa dran mache, das Futter für die Bande zu holen, scharrt Molly bereits in den Startlöchern. Wie alle anderen wartet sie zunächst auf der Hundecouch, springt aber - kaum dass ich ihr den Rücken zuwende - mit einer perfekten Schraube von der Matrazze und dreht sich einmal durch den ganzen Raum, bevor sie wieder auf der Matrazze landet. Meine Versuche, sie dort mit strenger Befehlsgewalt festzunageln, sind nach mehr als vier Jahren unseres Zusammenlebens noch immer stets zum Scheitern verurteilt.

Mollys knallt in ihrem Drehtaumel auch schon mal gegen Türen und Wände, bringt volle Wasserkübel zum Kippen, kollidiert mit Hunde- und Menschenbeinen, die dann Gefahr laufen, der Länge nach auf den Boden oder gegen den nächsten Türrahmen zu torkeln.

Wenn Molly einen Schlafplatz gewählt hat, dann wird dieser nicht einfach bestiegen. Sie dreht erstmal drei bis fünf Runden davor. Jetzt kommt es natürlich ab und zu mal vor, dass eine andere Fellnase grade dieselbe Idee hatte und sich inzwischen auf Mollys auserkorenen Schlafplatz hinlümmelt, während Molly immer noch ihre Runden davor dreht. Sind diese dann fertig, steht sie verdutzt vor dem bereits besetzten Platzerl und versteht die Welt nicht mehr.

Jeder Hund, den ich von klein an zu mir genommen habe, hat es sich zur Gewohnheit gemacht, im Garten oder beim Spazierengehen seine Geschäfte diskret an der Seite oder gar tief drinnen im Wald zu erledigen. Auch Hunden "stinkt" das, wenn sie selbst drüber stolpern und ihr Interesse an den Ausscheidungen anderer Hunde ist nicht der tolle Geruch, sondern lediglich die Information über die andere Fellnase, die davon ausgeht. Es ist köstlich zu beobachten, wie selbst Hunde die Nase rümpfen, sollten sie unabsichtlich in oder über die Ausscheidung eines anderen Hundes stolpern. Soweit die Normalos - anders bei Molly: sie, die sich grade noch am Wegrand schnüffeln vorwärts gearbeitet hat, beginnt sich zu drehen, bis sie exakt in der Mitte des Weges gelandet ist. Ich nenne es "Ausmessen". Dort wird das Drehen schneller, bis sie abrupt stoppt und nun in aller Ruhe ihr Geschäft erledigt. Versuche, sie während des Drehens zurück an den Wegrand zu bugsieren, führen grade mal dazu, dass der arme Hund eine Verstopfung erleidet. Derart unterbrochen traut sie sich gar nicht mehr und zwickt lieber zusammen, bis sie es ungestört zuhause mitten im Garten erledigen kann. Noch beliebter sind bei Molly Wegkreuzungen - mir kommt vor, hier wird noch eine Spur gründlicher, weil weitläufiger ausgemessen, bevor sie zufrieden ist mit der Positionierung und sich hinhockt. 

Entzückend hingegen ist es, dabei zu zu sehen, wenn sie um einen super tollen Geruch am Weg oder in der Wiese dreht. Viele kennen vielleicht von den Hoppala Videos aus Internet und Fernsehen, wie sich Leute auf einen Baseballschläger gestützt viele Male um diesen herum drehen und wenn sie loslassen, wie betrunken in die nächste Hecke torkeln oder gegen die Gartenhütte donnern. So ähnlich sieht es bei Molly aus, wenn sie, die Nase auf das Geruchsobjekt fixiert, sich viele Male um die eigene Achse dreht, bis sie alle Nuancen des Geruchs erfaßt hat, um sodann gleich selbst, mit einer Hinterpfote in der Höhe ihre Duftmarke drüber zu setzen.

Streicheleinheiten genießt die süße Blondie bestimmt sehr, aber auch hier legt sich bei ihr ein Schalter um. Setzt man sich zu ihr auf den Teppich, um sie ausgiebig zu knuddeln, dauert es nur Sekunden, bis Molly auf den Rücken plumpst und ekstatisch von links nach rechts rollt und wieder retour, dabei mit allen vier Beinen in der Höhe strampelt und oft auch noch ein leises Quietschen von sich gibt. Dabei drückt sie ihr Köpfchen fest auf den Boden, als würde sie ihre Ohren massieren (was sie vermutlich auch tut). Weil es nur endlos so weiter gehen würde, wenn ich bei ihr bliebe, stehe ich dann meist auf und rufe sie, um sie aus ihrem "Wahn" wieder heraus zu holen. Ein Exorzist hätte seine wahre Freude mit der Hündin.

Bei längeren Spaziergängen halte ich gerne inne, kniee mich für eine kleine Kraulpause mit meinen Vierbeinern hin. Da kommen sofort alle angelaufen und freuen sich über die Aufmerksamkeit. Auch Molly macht mit, zieht aber sofort wieder ihr verrücktes Ding mit der Ohrenmassage ab. Wenn ich dann wieder hochkomme, um weiter zu gehen, folgt mir oftmals eine mit Blättern und Erdreich panierte Molly.

Diese Ohren-Selbstmassagen führt Molly aber nicht nur am Boden durch. Jeder Widerstand ist ihr im Grunde recht. Sie tut es in meine Hand, an mein Bein, an die Hundebeine (die entsetzten Blicke der betroffenen Fellnasen muss ich demnächst mit der Kamera einfangen), an der Bettkante, am Sessel, auf der Hundecouch, ..... Die Ohren sind übrigens gründlich untersucht und in Ordnung ... wie es im Kopf meiner Süßen aussieht, ist allerdings eine andere Sache ....

Nicht dass nun der Eindruck entsteht, Molly wäre kein liebevoller Hund. Oft, wenn ich mit ihr alleine bin und keiner der anderen sich dazu drängt und Aufmerksamkeit fordert, hocke ich mich seitlich neben sie und sie schlüpft mit ihrem entzückenden Kopf unter meinem Arm durch, hebt die Schnauze und flüstert mir zart und kurz ins Ohr. Klingten tut dieses "Flüstern" wie ein leises Schmatzen. Danach legt sie ihren Kopf in meine Armbeuge oder auf den Oberschenkel und läßt sich den Hals massieren. Währenddessen flüstere ich ihr was Nettes ins Ohr, was wiederum dazu führt, dass Molly ihren goldigen Kopf an mein Ohr hebt und mir was rein schmatzt. Dieses entzückende gemeinsame Ritual lieben wir beide sehr.

Molly verfolgt mich - wo immer ich bin, egal, was ich gerade mache, habe ich einen blonden Schatten, der mich verfolgt und fixiert. Die einzige Möglichkeit, das zu verhindern, wäre sie zu fesseln oder anzubinden. Stehe ich am Herd und koche - Molly sitzt neben mir. Sitze ich am Bett und lese - Molly ist da. Bin ich zu Tisch und esse - Molly dabei. Arbeite ich am Laptop - Molly hockt daneben. Komm ich aus dem WC oder aus der Dusche, sitzt Molly bereits knapp hinter der Tür und erwartet mich. Wer das für absolute Treue hält, der irrt gewaltig. Molly hofft zu jeder Sekunde des Tages, ich könnte plötzlich ein fettes Schweinsohr oder ein lecker stinkendes Kaustangerl aus dem Ärmel zaubern und versucht stets, in der Pole Position bei der Verteilung zu sein.

Molly hat auch den bezeichnenden Beinamen: "lebende Stolperfalle" von mir bekommen. Selten geht Molly einfach neben- oder hinterher. Der liebste Ort ist ihr zwischen den Beinen, wo sie sich, damit es spannender wird, auch immer wieder um ihre eigene Achse dreht. Das absolute Top-Reaktions- und Fitness-Training für mich.


Die Fütterungszeiten sind, wie schon zu Beginn beschrieben, die Momente am Tag, die für Molly wohl die aufregendsten sind. Um diesen Stress abbauen zu können, hat sie für danach das Ritual des endlosen Schüsselputzens entwickelt. Sobald die Rudelmitglieder ihre eigenen Futterschüsseln geleert haben, wird reihum in und rund um die Schüsseln der anderen noch sauber gemacht. Das tut jeder Vier-Beiner bei jeder Schüssel, was soweit auch völlig normal ist. Kaum erledigt, wird noch ein großer Schluck Wasser genommen und dann erfolgt der Rückzug auf die Hundecouch, wo noch Pfoten und Brust auf Brösel abgesucht werden. Danach kann endlich in aller Ruhe verdaut werden. Nicht so bei Molly. Selbst eine Stunde und länger nach der Fütterung macht sie hintereinander eine Schüssel nach der anderen und den Boden rundherum gründlich sauber. Es ist schlichtweg unmöglich, dass sich hier noch irgendetwas Essbares findet. Versuche, sie davon abzuhalten, sind wirkungslos. Ich habe auch schon probiert, sie gleich nach der Mahlzeit mit einem Kaustangerl abzulenken. Das funktioniert - solange sie dran kaut. Ist es aufgegessen, führt ihr Weg sie sofort zurück zu den Futterschüsseln.

Für Molly sind Futterzeiten so aufregend wie für unser eins ein Fallschirmsprung - dass angesichts eines derartigen Adrenalin-Schubs auch schon ein paar Tröpfchen in der Unterwäsche landen, gibt keiner gerne zu, ist aber so. Und bei Molly ist das nicht anders. Damit die Tröpfchen nicht einen Teppich zieren oder in die Ritzen im Laminatboden laufen, muss Molly unmittelbar nachdem ihre Schüssel leer gefressen oder das leckere Schweinsohr vernascht ist, mal raus in die Wiese.


Nun könnte man meinen, sie wäre generell undicht - aber das ist sie keineswegs. Diese Stresslackerl passieren ihr im Affekt. Wenn Molly hingegen die Nacht zu lange dauert und sich bei ihr ein gewisser Drang bemerkbar macht, legt sie am Laminatboden beim Schlafzimmereingang einen Stepptanz hin, der das Ziel hat, mich aus dem Schlaf zu holen. Sobald das gelungen ist, wanke ich zur Terrassentür und lasse die süße Maus ins Freie. Gleich rechts befindet sich mein WC und auch ich nutze die kurze Wartezeit, bis Molly ihr Geschäft erledigt hat, sinnvoll. Sobald bei mir die Spülung rauscht, steht Molly auch meist schon wieder vor der Türe und bittet, vom Druck befreit, um Einlass. Während dieser Einlage schlafen die anderen Rudelmitglieder ruhig weiter. Sie kennen die Nachmitternachtseinlage längst und sind dadurch nicht von ihren kuscheligen Decken und Polstern zu locken. Auch Molly verzieht sich sogleich auf ihren Platz, der bestimmt noch warm ist und rollt sich wieder gemütlich ein. 

Sehr seltsam mutet auch diese eine Schlafstellung an, die nur sie einnimmt. Immer wenn sich gerade gar nichts tut und Ruhen angesagt ist, sucht sich jeder meiner Vierbeiner sein bevorzugtes Hundebett, rollt sich ein und schläft alsbald tief und fest. Manchmal wird auch gemeinsam gekuschelt. Da findet sich auch schon mal ein Kopf auf den Rücken des anderen gebettet. Nur Molly kann etwas, das ich wiederum bei keinem meiner anderen Hunde jemals gesehen habe. Molly schläft im Sitzen ein. Als hätte sie vergessen oder wäre zu müde, sich hinzulegen, sitzt sie da mit hängenden Schultern und hängendem Kopf, Rücken krumm und schläft.



Mein Versuch korrekt und vollständig zu berichten, treibt mich dazu, Molly grade im Moment besonders genau zu beobachten. Dabei ist mir aufgefallen, dass etwas an ihr gar nicht mehr auffällig ist. Blondie hat von Beginn weg oft stundenlang ihre Vorderpfoten geputzt. Nicht dieses kurze Absuchen nach Essensresten nach einer Mahlzeit, sondern eine Zwangsstörung, bei der ich stets befürchtet habe, dass sie ihre hübschen Pfoten nackt lecken und diese irgendwann wund und entzunden sein würden. Dank Mollys dichter Behaarung ist es glücklicherweise nie so weit gekommen. Nun ist es immer so, dass man sofort merkt, wenn etwas schlimmer wird, aber nicht immer gleich eine Verbesserung wahrnimmt. Und so ist mir gerade gestern erst aufgefallen, dass Molly ihre Pfoten, wie jeder andere, völlig normale Hund auch, nach der leckeren Näscherei noch kurz reinigte. Und das war's. Kein fanatisches, stundenlanges Dauerlecken mehr - Haleluja!

Dazu muss ich sagen, dass mir der Tierschutzverein vor der Übergabe von Molly fairerweise mitteilte, dass bei ihr eine chronische Augenentzündung diagnostiziert worden war. Und der mitgelieferte Arztbericht erwähnte auch eine Hautallergie, was an vielen kleinen wunden Stellen, vor allem an ihrem Bauch, aber auch an den Zehen und Ballen offensichtlich war. Ein erster Allergietest in der Tierklinik bestätigte dies. Ich beschloss jedoch abzuwarten, wie sich die neue Umgebung, die sauberen Liegeplätze, das gute, regelmäßige Futter und die viele Bewegung auf sie auswirken sollten. Zudem war Molly eine recht mollige Hundedame und ich wollte sie erstmal auf ein Normalgewicht runter bringen. Was soll ich sagen: gut war's - keine Allergie mehr, keine Augenentzündung, Figur schlank. Bestimmt ist da eine gewisse Anfälligkeit vorhanden, denn der Versuch einer Futteränderung wurde mit Herumbeißen an juckenden Pfoten und Kratzanfällen quittiert. Mit der Rückkehr zur ursprünglichen Fütterung war wieder alles gut

Die vielen seltsamen Verhaltensweisen meiner Molly sind meiner Einschätzung nach bestimmt nicht angeboren. Spaniel sind, soweit ich weiß, Hunde mit einem festen Sturschädel, aber sicher nicht von Natur aus derart schräg. Was Molly in ihren ersten 4-8 Lebensjahren widerfahren ist, war vermutlich nicht immer nur Gutes. Molly hat mit Sicherheit Hunger kennen gelernt. Schmerzen und Käfighaltung waren wahrscheinlich auch mit dabei und Kontakt oder Spiele mit anderen Hunden, wenn es das überhaupt gegeben hat, dann ist es schon so lange her, dass sie es vergessen hat. Schmerzen kennt Molly alleine daher, dass langfristig unbehandelte Ohren- und Augenentzündungen zu Schwerhörigkeit und beinahe Blindheit geführt haben. Man hatte sich mit ihr wohl kaum, wenn dann nur unsanft auseinander gesetzt. Körperpflege, wie Bürsten, ist ihr verhaßt - vor allem, wenn man an bestimmten Körperregionen kämmen möchte, beißt sie in ihrer Verzweiflung und Angst vor Schmerz zu. Sie schnappt nicht, um zu verletzen - es sind nur Drohgebärden und Versuche, mich sanft aber bestimmt davon abzuhalten. Und so greife ich dann oft auch lieber zur Schere als zur Bürste.

Spaziergänge mit Molly sind wie Überraschungseier - man weiß nie wirklich, was einen erwartet. Meist läuft sie mit uns mit, ohne dass ich mich viel darum kümmern muss. Kritisch sind die Start- und Endphase. Grade beim Weggehen läßt sie sich sehr viel Zeit zum Schnüffeln und fällt gerne mal zurück. Wenn wir aber mal unterwegs sind, ist Molly super mit dabei. Und am Rückweg läuft sie voraus. Oftmals weiter als ihr Gehör- und Sehsinn reichen. Kreuzen dann zufällig grade viele andere Hunde- und Menschenbeine ihren Weg, schließt sie sich diesen spontan an, in der Meinung, sie hätte uns wieder gefunden. Da Molly völlig harm- und arglos ist, hat das bislang im schlimmsten Fall zu Gelächter und einer freundlichen Rückgabe der Fellnase ins richtige Rudel geführt. Wenn Molly uns verliert, ohne sich einem fremden Rudel anzuschließen, bekommt sie Panik. Und Panik ist selten ein guter Ratgeber. Irgendwann rennt sie dann einfach los und weil es sonst unspannend wäre, prinzipiell in die falsche Richtung. Zu Beginn unserer Partnerschaft hat sich rasch herausgestellt, dass Mollys Nase und Orientierungssinn 1A sind. Denn in diesen Fällen trafen wir uns beim Auto wieder. Mittlerweile kommt es vereinzelt vor, dass Lenny die Rückführung übernimmt, indem er Molly einfach dort abholt, wo sie herum irrt. Zwar hat sich das bislang eher als Zufallstreffer dargestellt, aber ich arbeite dran, dass er es sich als Aufgabe macht.

Tierarztbesuche hingegen findet Molly zum Gähnen langweilig. Die meisten anderen Hunde zeigen bereits beim Betreten des Wartezimmers eindeutige Anzeichen erhöhter Pulsfrequenz. Sie beginnen zu Hecheln, Fell fällt in Büscheln aus und die ganz Ängstlichen stemmen vier Pfoten mit aller Kraft gegen die Laufrichtung. Viele Hunde betreten nicht das Behandlungszimmer, sondern werden hinein gezogen, als hätten sie Rollen an den Pfoten. Bei Molly passiert genau das Gegenteil. Richtig besorgt war die liebe Ärztin noch bei unserem ersten Besuch und hat eine gefühlte halbe Stunde Mollys Herz abgehört, weil sie nicht glauben konnte, wie ruhig und entspannt dieser Hund war. Und so ist es geblieben. Molly hat einfach die Ruhe weg beim Tierarzt - wie herrlich!

In den vier Jahren, die Molly nun bereits bei mir lebt, habe ich nicht nur einmal mit meiner Entscheidung, diesen verkorksten Hund in (m)ein Rudel auf zu nehmen, gehadert. Ich war der Ansicht, dass es meine kleine verrückte Blondine als Einzelhund bei einem netten Pensionistenpärchen möglicherweise leichter gehabt hätte, weil ihr da einfach mehr Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre und sie mehr Ruhe gehabt hätte. Und aus diesen besorgten Gedankengängen hat mich kürzlich eine liebe Hundefreundin gerissen, indem sie mir - ohne meine Bedenken zu kennen - eine völlig andere Sichtweise geliefert hat mit den Worten: "Wie gut, dass Molly in einem Rudel lebt, an dem sie sich orientieren kann!" Danke, Sabine!!!

Dienstag, 26. Dezember 2017

Balu, der Therapiehund

Es war schrecklich, ist nun aber schon eine Weile her, dass mein Vater nach einem schweren Schlaganfall viele Monate in Krankenhaus und Rehabzentren verbringen musste, bevor er das erste Mal wieder auf Besuch nach Hause kommen und durch seinen geliebten Garten wandern durfte. Gehen hatte er eben erst wieder gelernt und so stand er auf noch sehr wackeligen Beinen mit einem Gehstock als Stütze und versuchte die ersten unsicheren Schritte in der unebenen Wiese.

Welcher Teufel mich geritten hatte, dass ich meinen stürmischen Kampfschmuser (damals grade mal ein gutes Jahr alt) mitgenommen hatte für dieses erste Wiedersehen nach Langem, weiß ich nicht mehr. Balu kann mit seinen rund 30kg Kampfgewicht im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend sein, wenn er sich sehr freut und die Aufregung überhand nimmt. Meinen Vater kannte und liebte er von klein auf und es war zu erwarten, dass die Aufregung bei diesem Wiedersehen groß sein würde. Ich hatte auf jeden Fall die Leine sehr fest im Griff und war darauf gefaßt, im richtigen Moment gegen zu halten, um zu verhindern, dass Balu meinen Vater zu Fall bringt.

Mit dem, was dann geschah, hatte keiner von uns gerechnet und es trieb uns allen, die wir in diesem Moment ohnehin sehr emotional waren, die Tränen in die Augen. Balu hatte sich ganz langsam und vorsichtig an die Seite meines Vaters begeben und so zart als möglich die Hand zur Begrüßung mit der Schnauze berührt. Auf dem Weg durch den Garten blieb er ruhig und ernsthaft an der Seite meines Vaters, immer nur dann einen Schritt vor den nächsten setzend, wenn mein Vater es tat.

Nichts und niemand hatte Balu auf diese Situation jemals vorbereitet, noch konnte er Erfahrung damit haben. Schließlich hatte ich ihn mit nur neun Wochen direkt von seiner Geburtsstätte, wo es ein kleines Kind, aber keine Menschen mit Handcap gab, zu mir geholt.

Leider habe ich danach sehr viele Jahre verstreichen und dieses unglaubliche Talent ungenützt lassen. Es hat auch niemals eine Veranlassung gegeben, diese wundervolle Gabe zu fördern oder gar mit ihm eine Ausbildung zum Therapiehund zu machen. Und so ist Balu beinahe 12 Jahre alt geworden, bis er endlich seine Bestimmung finden durfte. Und auch das eigentlich nur per Zufall. 

Es war wieder einmal soweit. Ein Spielenachmittag im Pflegeheim stand bevor. Ich hatte bereits angekündigt, meinen zu der Zeit sieben Monate alten Jungspund "Lenny" mitzubringen; als Unterhaltung, aber auch um zu sehen, wie er sich tun würde mit unseren Teilnehmern. Aber es kam anders, denn Balu, mein ältester, hatte seit dem Vortag ganz schlimmen Durchfall mit Erbrechen. Das war ungewöhnlich und besorgniserregend. So beschloss ich, stattdessen ihn mitzunehmen, um ihn unter Beobachtung zu haben.

Mit Decke und Wassernapf sind wir dann eingezogen in die Aula des Pflegeheimes und haben es uns in der Ecke, in der wir mit den 6-8 Bewohnerinnen und Bewohnern lustige Nachmittage veranstalten, gemütlich gemacht. Eine erste Frage in die Runde ergab, dass alle bis auf eine Dame kein Problem mit dem 4-beinigen Teilnehmer hatten und so ließ ich Balu weitgehend freie "Pfote" im Umgang mit den Leuten. Und wieder überraschte und erstaunte er mich mit seiner unglaublichen Sensibilität im Umgang mit älteren oder gehandicapten Menschen.

Die erste Begrüßungsrunde drehte ich mit ihm gemeinsam. Dabei stupste er jeden einmal vorsichtig mit der Nase an und freute sich über ein kurzes Kraulen vom jeweiligen Spieleteilnehmer als Reaktion darauf. Jene Teilnehmer, die körperlich nicht in der Lage waren, sich derart zu revanchieren, schien er mit besonderer Vorsicht und noch mehr Freude an der Bekanntschaft zu behandeln. Sie haut mich schlichtweg um, diese unglaubliche Sensibilität, die dieser große, oftmals unbändige Hund völlig fremden Menschen entgegen bringt, die zudem so ganz anders, als er es gewöhnt ist, reagieren.

Andere Hunde, die bei uns vorbei flanierten oder sich in der Nähe befanden, ignorierte er vollkommen. Auch das war mir neu und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Balu versuchte auch Personen an Nebentischen, die nicht zu unserem Kreis gehörten, mit ein zu binden. Hier musste ich ihm leider Grenzen setzen, die er nicht ganz widerspruchslos akzeptierte. Er verstand wohl nicht, warum wir diese anderen Menschen ausgrenzten. Letztendlich akzeptierte er den kleinen Kreis derer, die dazu gehörten und lag abwechselnd auf seiner Decke oder drehte seine Kontaktrunde bei den Teilnehmern.

Zwischendurch kam der eine oder andere neugierige Besuch in unsere Ecke, um den neuen 4-beinigen Teilnehmer gebührend zu bewundern und willkommen zu heißen. Dies war in jedem einzelnen Fall mit ausgiebigen Streicheleinheiten verbunden. In diesen kurzen Momenten sah ich Balu wieder in ein kindliches, unbeschwertes Hundewesen zurück fallen. Sobald diese Besuche jedoch beendet waren, schien er sich wieder auf seine eigentliche Rolle zu besinnen, verlor sofort dieses Kindlich-hündische aus seiner Mimik und konzentrierte sich wieder mit Ernst auf seine eigentliche Aufgabe.

Als ich an diesem Abend mit Balu, dem es gesundheitlich zusehends besser ging, nach Hause fuhr, war ich nicht nur unglaublich stolz und glücklich, sondern mir war klar, dass er ab nun ein fixer Bestandteil dieser Spielenachmittage werden würde.

Schon beim zweiten Mal hatte ich den Eindruck, dass unsere Teilnehmer es als selbstverständlich ansahen, dass Balu wieder mit von der Partie war. Und auch bei Balu stellte sich so etwas wie eine Routine ein, mit der er abwechselnd seine Runden drehte,  wo er sich mit einem Nasenstupser Aufmerksamkeit von jedem Einzelnen holte - oder Platz nahm auf seiner Decke und uns von da aus einfach nur beobachtete. Sogar die Dame, die zu Beginn noch auf Distanz zum Hund gegangen war, gewann langsam Zutrauen und schien ihre Unsicherheit mehr und mehr abzulegen.

Soweit die Dr. Jekyll Seite meiner Fellnase. Schon bald sollte aber auch Mr. Hyde zum Vorschein kommen.

Bei unserem dritten Besuch gewann ich den Eindruck, dass Balu die Aula des Pflegeheims mittlerweile als sein riesiges Wohnzimmer ansah. Die Spielerunde musste an diesem Tag in einen zentral gelegenen Bereich der Aula ausweichen, weil in unserer üblichen Ecke ein riesiger Christbaum strahlte. Diese Veränderung und die Nähe zur Küche ließen auch die "dunkle" Seite von Balu, die ich so gut kenne und manchmal lästig, meist aber nur lustig finde, zum Vorschein treten. Balu ist begeistert, dass bei der Spielerunde so viel gegessen und auf den Boden gebröselt wird. Ganz selbständig hat er sich zum Ziel gesetzt, den Boden frei von leckeren Kuchen- und sonstigen Essensbröseln zu halten. In unbeobachteten Momenten sieht man ihn um unser Speisenwagerl kreisen und die gebrauchten Teller, die in Nasenhöhe stehen, genauestens inspizieren. Einen noch viel größeren Magnet stellte jedoch an diesem Tag die Küche des kleinen Cafes, das sich im Zentrum der Aula befindet, dar. Mehrfach erwischte ich ihn dabei, wie er langsam und unauffällig in Richtung Küche schlich. Meine Stopp-Befehle quittierte er jeweils mit einem ziemlich sturen Blick, der mir Balus mangelndes Verständnis für meine Strenge vermitteln sollte.

Es ist ihm auch nicht dauerhaft begreiflich zu machen, dass die Besucher des Cafes, die ja nichts mit unserer Spielerunde am Hut haben, nicht in den erlauchten Kreis gehören. Sobald er sich unbeobachtet fühlt, schleicht er sich also davon und streift von einem Tisch des Cafes zum nächsten, um sich dort Streicheleinheiten zu holen und den Bröselcheck durchzuführen. Es ist schwer zu sagen, was ihm dabei wichtiger ist: der soziale Kontakt oder der Kick für die Geschmacksnerven.

Rückblickend muss ich zugeben, dass dieser Hund immer schon ein wenig "anders" war. Balu fand in seinem Leben nie Freude daran, einfach "nur so" einem Ball nachzujagen. Lange bevor er erwachsen wurde, verlor er sein Interesse an Spielen mit fremden Hunden ganz. Seitens meiner Mutter hatte dieser ungewöhnlich ernsthafte Hund daher den passenden Beinamen "Schwerenöter" erhalten. Stattdessen wurde er sehr wachsam, passt nun auf, dass die "falschen" Hunde seinem Rudel nicht zu nahe kommen und achtet mit großer Aufmerksamkeit und Ernsthaftigkeit auf die Art und Weise, wie unsere menschliche Umgebung sich uns gegenüber verhält. Mein Vater stellte einmal sehr zutreffend fest: "Dieser Hund hört das Gras wachsen!"

Ich hatte oftmals den Eindruck, Balu wollte nie einfach nur Spaß, sondern stets eine Aufgabe oder Funktion haben. Er ist ein ganz besonderes Hundewesen, das in Frage stellt, Vorschläge einbringt, verstehen sowie einen Sinn sehen will in dem, was man von ihm fordert und zudem, trotz seiner Verfressenheit, unbestechlich ist. Sein "Job" im Pflegeheim passt daher sehr gut zu ihm. Dass er so ganz nebenei auch kein Kostverächter ist und seinen eigenen kleinen Sturschädel hat und durchsetzen möchte, macht ihn fast noch liebenswerter und holt ihn wieder herunter vom Podest auf die Ebene der eigentlich ganz normalen Hunde, die wir mit all ihren Macken lieben und fest ins Herz schließen.


Mittwoch, 22. November 2017

Frischzellenkur

v.l.n.r. Balu, Molly, Phoebe
Wir werden alt. So richtig alt. Zwei Fellnasen rund um die 12 Jahre und ich bekomme Panik. Bitte nicht falsch verstehen - ich bekomme Panik stellvertretend für Phoebe mit ihren erst 6 Jahren. Das kann doch kein Vergnügen sein, wenn man als Hund im besten Alter sein Dasein in einem 4-Beiner-Altersheim fristen muss.

Und so habe ich mich im Auftrag von Phoebe eher halbherzig auf die Suche gemacht. Halbherzig, weil es schon recht bequem und einfach ist mit so einem eingespielten Oldies-Team. Die verordnete Frischzellenkur würde wieder alles ins Chaos stürzen und ich würde eine neue "unsere-kleine-Welt-Ordnung" herstellen müssen. Ein Prozess, der nicht grade mal so nebenbei passiert, sondern der aktiv gestaltet werden will und neben Hirnschmalz und körperlicher Aktivitätssteigerung auch jede Menge Nerven erfordert.



Gefunden hat ihn schließlich meine Schwester auf Facebook und mir mit zwei Fotos und den begeisterten Worten: "Marion!!!!! Der schaut nach einem Mannsberger Hund aus" plus noch 4 Herzen hinter drein gewhatsappt. Um es kurz zu machen: der Kleine mit der großen Nase hat es mit diesem Satz ins Mannsberger-Hunde-Team geschafft und den Altersschnitt von rund 10 auf 7,5 Jahre hinunter geschraubt. Lenny heisst der Bub und ist eine Mischung aus Bergziege,  Müllschlucker und Autohupe. 

Lenny wurde im Hundeteam so liebevoll aufgenommen wie ein Aussätziger. Die ersten Tage waren für uns alle eine Achterbahn der Gefühle. Kaum war Lenny in der Nähe, schon fiel das Stimmungsbarometer beim Rest der Partie unter den Gefrierpunkt.

Kaum zu glauben, dass das nun auch schon wieder über zwei Monate her ist und ich wirklich scharf nachdenken muss, wie das so war die ersten Tage. Denn mittlerweile sieht es schon wieder ganz anders aus. Lenny hat seinen Platz im Rudel gefunden.

Als ich Lenny am 12.9. (fast einen Monat hatte es nach der Erstentdeckung durch meine Schwester noch bis zu diesem Schritt gedauert) von seiner Pflegestelle im 121km entfernten Győrzámoly/HU abholte, fand ich ein dort wohl eingegliedertes ca. 4,5 Monate altes Hundekind vor, das fest am Rockzipf seiner Pflegemama hing. Wie sehr er sich auf sein neues Zuhause freute, zeigte er prompt mit ohrenbetäubendem Heulen und dem Auswürgen der (nach der Größe der zwei Haufen zu schließen) wahrscheinlich letzten 5 Mahlzeiten auf die Rückbank meines Autos. Die nächsten 120km bis wir endlich zuhause waren, fuhr ich (bei 15 Grad Außentemperatur) mit offenem Fenster und immer wieder angehaltenem Atem.

Dass er ein sehr smarter Kerl sei, das hatte mir die Pflegemama als wertvolle Beschreibung mit auf den Weg gegeben.

Die spannende Erkundung aller weiteren Eigenschaften startete bei der spätabendlichen Ankunft im mittlerweile dunklen Garten. Die ersten Schritte ins Haus waren äußerst vorsichtig. Auch die Kontaktaufnahme von größter Unsicherheit geprägt. Die Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Natürlich kamen bei mir angesichts der temporären Eiszeit im Rudel - trotz besseren Wissens - kurz Zweifel  auf. Glücklicherweise besann sich aber der kleine Hütewischmobb Phoebe auf ihre ungarischen Ursprünge und solidarisierte sich für von Mal zu Mal länger und freundlicher werdende Spielchen mit dem Frischling.
Dies allerdings sehr zum Mißfallen von Balu - Kampfschmuser war DIE Spaßbremse der ersten Wochen. Bis ich die beiden dann zum ersten Mal beim Kuscheln erwischte. Meine Sorgen haben sich recht rasch in Luft aufgelöst. Nach nur zwei Monaten zeigt Balu längst wieder seine wohlbekannte Butterseite, auch dem inzwischen zum Teenager heran wachsenden Lenny gegenüber.
Lenny muss in seinem vorherigen Leben eine Duracell-Batterie gewesen sein. Oder ein Langstreckenläufer. Es ist wunderbar, seine Freude an der Bewegung, am Schnüffeln und Erkunden zu beobachten - diese Lebensfreude reißt mich einfach mit. 

Spiele im Haus werden (und dafür zünd ich sicher noch ein Dankbarkeitskerzerl an) einrichtungsschonend gestaltet. Bislang hat grade mal der alte Teppich (und ab und zu die kleine Phoebe) in der Hitze des Gefechts ein paar Haare gelassen. Die Gartengestaltung hingegen ist sein Ding. Der eine oder andere tief hängende Ast wird im Vorbeigehen einfach mal so abgeknippst - stört ja auch immer beim Rasen Mähen. Soviel Einfühlungsvermögen in so zartem Alter beeindruckt mich schwer. Dass man Vögel verjagen, Katzen verbellen und im Rudel heulen muss, ist dank drei wunderbarer Lehrmeister bei Lenny schon in Fleisch und Blut über gegangen.
  
Etwas gewöhnungsbedürftig sind die nun wieder gehäuft auftretenden Neugierattacken wildfremder Menschen. Da wird mir mitunter sogar über die Straße hinweg die Frage nachgeworfen: "Ghean die olle ihna?" Oftmals dreh ich ihnen den Rücken zu, wo die Fragen unbeantwortet abprallen. Viel öfter aber sag ich mit stolz geschwellter Brust und glücklichem Lächeln im Gesicht: "Ja, alles MEINE!"

Donnerstag, 20. Juli 2017

Vier minus eins ist ....

Komisch ist es, traurig natürlich und auf der Lebensfreude-Skala ein fetter Minuspunkt, den man sich lieber sparen würde, wenn es irgendwie möglich wäre. Das ist schon ein großer, wenn nicht gar der einzige Nachteil an der Sache mit den Hunden - dass die nicht so alt werden. Gar nicht alt eigentlich. Was sind 10 oder 15 Jahre im Vergleich zum Menschenleben? Und dann habe ich mich damals, nachdem meine 1. Hündin nicht mehr war und eine "Neue" ins Haus kam, auch noch fast so gefühlt, als würde ich die verstorbene Hündin betrügen - da war tatsächlich schlechtes Gewissen mit im Spiel. Dabei - hätte ich mir ein Alter wünschen können für meine Hündin - es wäre ein "so alt wie ich werde" gewesen.

Aber man versucht sich ja selbst aus solchen Erfahrungen noch irgendwie etwas Positives heraus zu quetschen. Damals, als es das 1. Mal passierte, versuchte ich mich drauf zu freuen, morgens nicht mehr so früh raus zu müssen, entspannt frühstücken zu können vor dem Büro, Schlechtwetter nur von der kuscheligen, trockenen Couch aus sehen zu müssen. Und was war? Ich saß morgens da, appetitlos, freudlos und stellte mir vor, wie schön es jetzt beim Morgenspaziergang mit der Fellnase wäre. Ich sah dem Regen von drinnen zu und auch aus meinem Gesicht tropfte es nass vor lauter Traurigkeit, weil früher hätten wir so einem Wetter getrotzt, der Hund und ich, und wären dennoch raus, grade und extra und weil dann die Welt uns gehört. Weil wer geht sonst noch bei so einem Wetter, wo normalerweise nicht mal der Hund hinterm Ofen hervor kommt ....

Und jetzt, wie ist es jetzt - da helfen dieselben Ausreden nicht mehr, weil ja noch ein 3er Team an 4-Beinigen um mich herum wuselt. Aber auch hier wieder der Versuch, dem Ganzen etwas Positives abzuringen: endlich muss ich mich beim Spazieren nicht mehr ständig umdrehen nach der Hündin, die sich mit einem interessant riechenden Grashalm minutenlang unterhalten konnte. Nun hab ich auch kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich mit 3en losziehe, während eine zuhause einsam an einem Rindsohr kaut. Aber helfen diese Gedanken? Mit nichten! Jetzt ist mein Nacken nicht mehr so gut gedehnt, weil keine Rückblicke mehr nötig sind, um zu sehen, an welchen Grashalm ich Stella wieder verloren habe. Die Mundwinkel bleiben unten beim Heimkommen nach langen Spaziergängen, weil Stella nicht auf uns wartet und uns freudig willkommen heißt.

Selbst wenn es jetzt schon über ein Jahr her ist, es fühlt sich immer noch an, als wäre ein Teil von mir amputiert worden. Da gibt es die ganz Gefühllosen, die kommentieren: "geh bitte, du hast ja eh noch 3". Wer würde so eine Meldung bei Kindern loslassen? Darf man ein Tier so sehr lieben, dass es so weh tut? Wer maßt sich an, darüber zu entscheiden, zu urteilen? Aber es hilft alles nix - Fotos dürfen noch nicht zu intensiv angeschaut werden. Erzählungen gehen noch nicht wirklich gut - vor allem, wenn es um den schicksalshaften Tag geht. Und auch jetzt, beim drüber Nachdenken und Schreiben ... wann hört das auf?

Stella, wir vermissen dich!


Sonntag, 22. Mai 2016

Stella war ...

Stella war .... eine Gute! Als solche hat sie die Dame vom Tierschutz bezeichnet, als sie das schwarze Bündel Angst vor fast 11 Jahren in meine Obhut gegeben hat. Und ja, sie hatte so recht damit!

Stella war .... die Geduld in Hundeform. 2 Welpen hat sie mit groß gezogen und noch einen Altzuwachs dazu ertragen, ohne dass sie es mir jemals übel genommen hätte. Im Gegenteil - zum einen war sie Amme und zum anderen hat sie geduldig alle Frechheiten ausgehalten, die ihr von der 4-beinigen Jugend zugemutet wurden. Nicht einmal hat sie ernsthaft gedroht, wenn Molly wieder mal wie ein Pfeil in Stellas Futternapf geschossen ist, um dort gierig noch mit zu fressen oder Phoebe Dominanzgesten an ihr geübt hat. Jeder Hundebesuch war willkommen und auch im Auto durften die Freunde mitfahren.

Stella war ... vertrauensvoll, dass es fast schon weh tat. Trotzdem ihr Menschen bereits in Ihrer Kindheit und Jugend so übel mitgespielt haben, hat sie uns nicht nur vergeben, sondern lieben gelernt, sich unseren streichelnden Händen genussvoll hingegeben, wo immer sie nur konnte.

Stella war ... ein Ruhepol - mein Fels in der Brandung. Zu Silvester konnte sie nicht mal mehr die verrückte Böllerei um Mitternacht aus dem Schlaf reissen. Stella war entspannt und ruhig, denn sie wusste, sie war zu Hause und in Sicherheit.

Stella war ... am liebsten auf der Couch und sah gelassen dem Leben um sie herum zu. Wer auch immer da vorbei spazierte, bekam einen wohlwollenden Blick aus warmen, herzlichen, braunen Hundeaugen und grade mal ein lieber Besuch oder ein Leckerli konnte sie da weglocken.

Stella war ... für jeden Unfug zu haben. In ihrer Jugend die wilden Spiele mit Balu und Hundefreunden und später die vielen Tricks, die sie noch mit Freude und Eifer gelernt hat, nur um mir zugefallen. Sie hat bei allem mitgemacht und sich bemüht, weil dann gab's ein Leckerli, ein Lächeln und Streicheleinheiten von Frauchen.

Stella war ... eine Seele von einem Hund, von denen es bestimmt nicht allzu viele gibt. Sie hat mein Leben bereichert und mir gezeigt, wie wichtig Verzeihen ist und wie schön das Leben sein kann, wenn man die Vergangenheit Vergangenheit sein läßt und dem Leben immer wieder eine Chance gibt.

Stella war ...