Sonntag, 4. Januar 2015

Große Persönlichkeiten

Aus rund 20 Jahren Zusammenleben mit verschiedensten Typen von Hunden ist die herausragende Erkenntnis: es ist völlig egal wie groß oder wie alt sie sind, unerheblich welches Geschlecht oder welche Veranlagung, nicht wichtig, welche Vorgeschichte - es gibt immer einen gemeinsamen Nenner und der bin ICH! Nicht dass ich mich grundsätzlich so unheimlich wichtig nehme, aber für mein Rudel bin ich nun mal das Wichtigste. Und mit meinem Verhalten präge ich meine Bande, ob es nun ein, zwei, drei oder vier sind.

Alle passen sich an und es ist faszinierend, wie viele Gemeinsamkeiten sie auf diese Weise entwickeln. Jedes neue Mitglied lernt, der eine rascher, der andere wieder langsamer, wie bei uns der Hase läuft.

Aber neben dieser wundervollen Eigenschaft, die uns zusammenhält und ein für uns alle angenehmes Zusammenleben überhaupt erst möglich macht, gibt es dennoch viele individuelle Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale, die jedes einzelne dieser Wesen zu etwas Einzigartigem und Besonderen machen.



Zum Beispiel Phoebe mit der coolen Rasta-Frisur: sie verbellt böse Geister im Garten; bei jedem neuen Betreten ist dieses Ritual erforderlich: die ersten Runden im Garten werden begleitet von ununterbrochenem Bellen gedreht, bis sicher gestellt ist, dass alles, was nicht in den Garten gehört, weggelaufen oder geflogen ist beziehungsweise sich verkrochen hat. Phoebe kann auch singen - ihre unvergleichliche Sopran Stimme würde sogar Anna Netrebko vor Neid erblassen lassen.

Und Schlafen gelegt wird aus Prinzip erst dann, wenn ein ordentliches Nestchen gebaut ist. Dem voran geht ein Scharren, ein Schieben, ein Wuzeln und ein Drücken. Da werden Polster zerknautscht, Teppiche in Ziehharmonikaform gelegt oder Stofftiere zur Unkenntlichkeit zusammengedrückt. Dann wird begutachtet und Probe gelegen, aber erst wenn als gemütlich und liegenswert befunden, wird auch wirklich geruht.


Molly ist die Dame mit den Ritualen - allen voran das Putz- und das Drehritual. Schmutzige Futterschüsseln gibt es bei uns nicht mehr, seit Molly die Zuständigkeit dafür übernommen hat. Ergänzt wird dies durch ein vorangehendes Futterritual. Sobald der Napf leer ist und die paar Stückchen, die Frauchen "irrtümlich" immer daneben verstreut, auch eingesammelt sind, muss Madame mal - und wenn's nur ein paar Tröpfchen sind.
Und Niederlegen geht frühestens nach der 5. vor der gewählten Schlafstatt gedrehten Runde. Es mutet beinahe autistisch an, dieses zwanghafte im Kreis rennen bevor sie endlich zur Ruhe kommt. Noch seltsamer: je weiter oben die Schlafstatt, desto länger wird gedreht. Als müsste sie sich erst Mut und Kraft für den Sprung andrehen.



Balu ist der Traum aller Mädels im Haus. Nur ganz selten sieht man ihn alleine liegen. Immer kuschelt sich grade eine an ihn. Kein Wunder - er ist ein richtiger Schmusetiger. Balu sucht die Nähe wie die Motte das Licht. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ihm jedes Mittel recht. 


 
Kommt Freundin E. zu Besuch, nimmt Balu wie selbstverständlich auf Ihrem Schoß Platz. Ebenso erfinderisch ist der Bub bei seinen Kuschelversuchen. Eine zum Trocknen ins Handtuch gewickelte Stella wird hier kurzerhand zur Couch umfunktioniert.




Ich denke, mein Kampfschmuser ist im falschen Körper geboren worden. 20kg weniger wären für einen derart liebes- und nähebedürftigen 4-Beiner das zweck-dienlichere Gewicht gewesen.

Stella ist die ungekrönte Königin unseres Rudels. Sie kam als erste und geht dennoch immer als letzte (beim Spazieren). Stella löst bei völlig Fremden einen spontanen Kuschelzwang aus. Nicht erst einmal wurde sie von fremden Frauen beim Spazieren nach ausgiebigem Durchwalken einfach umarmt, geherzt und gedrückt. Und was macht Stella in solchen Fällen? Sie hält still, läßt gewähren, alles gutmütig über sich ergehen und mir scheint, sie genießt es in vollen Zügen. Die gute Stella, die alle Leute verbellt und verknurrt hat, die niemanden in ihrer Nähe haben wollte und die sich vor lauter Angst nur im Rückwärtsgang wegschob von anderen Menschen und die im Leben nicht auf den Gedanken gekommen wäre, sich an ein fremdes Knie zu schmiegen, sich von fremden Händen das Fell durchkämmen zu lassen und fremde Arme um ihren Hals zu dulden.
Stella hat gelernt zu genießen und nun lehrt Stella uns Ruhe und Langsamkeit in einer Zeit der Eile, des unausweichlichen Speed, mit dem unser Leben dahin rast. Stella ist unsere Mitte, unser "Om". Selbst wenn ich manchmal wünschte, sie hätte einen eingebauten Düsenantrieb, den ich nach Bedarf auch mal einschalten kann, wenn sie wieder mal Raum und Zeit vergißt im seeligen Zeitunglesen an einem Grashalm - selbst dann bin ich froh, dass Stella mich gefunden hat und ich durch sie und an ihr die Freude entdecken durfte, die es tagtäglich bereitet, wenn man einem bereits abgeschriebenen Tier eine zweite, dritte oder x-te Chance auf ein schönes Leben geben kann.